Fall 1: Pius Meier ertrinkt

 

Zürich 2016: In der Limmatstadt regiert das Verbrechen. Nicht nur bei den Banken und im Weltfussballverband, auch um und im Zürichsee, der die Kulisse für eine der schönsten Städte sein sollte. Doch der unerschrockene Polizeipräsident Pilch und seine Elitetruppe sind noch da...

 

Kottan, gehen sie sofort ins Mythenquai, ein Fall für uns“, Polizeipräsident Pilchs Stimme überschlug sich, wie immer wenn er seine Leute zur Aufklärung eines möglichen Verbrechens losschicken konnte. „Ich organisiere unterdessen die Pressekonferenz.“

'Alles ändert sich in dieser Welt, nur Pilch nicht', dachte Kottan, als er Schrammel und Schremser zu sich Pfiff, 'wir machen die Arbeit und er sonnt sich im Erfolg.'

 

Die Leiche lag am einzigen Sandstrand von Zürich, dem vom Mythenquai. Fred, der kräftige Chef der Badeanstalt, einige Meter daneben, ungläubig den Kopf schüttelnd. Kottan trat neben ihn: „Sie kennen den Mann?“ Aus dem Schütteln wurde ein Nicken. „Sagen sie mir seinen Namen?“

Pius Meier, mein Chef“, sagte der Chef. Schremser resümierte amüsiert: „Der Chef der Badeanstalten Zürich ertrinkt am Eröffnungstag der Badesaison, das klingt wie der Witz der Woche.“

Konnte der Mann schwimmen?“

Selbstverständlich, das ist doch die einzige Bedingung, um Chef 'Badeanstalten' zu werden.“ Fred fasste die Details des Leichenfundes zusammen: Meier sei um 10:00 Uhr mit einem Herrn der Presse eingetroffen, um 11:30 privat ins Wasser gestiegen, um 11:45 habe ein Badegast, der Meier leblos treibend an der mittleren Insel gesichtet hätte, geschrien. Er habe dann mit zwei Bademeistern Meier unverzüglich an Land gezogen, wo sie nur noch seinen Tod feststellen konnten. Mehr wisse er nicht.

 

17:30 im Kripogebäude, Pilch mit schwarzem Anzug und roter Fliege begrüsst die Journalisten mit pompösem Auftritt, im Hintergrund ist Beethoven zu hören:

Mein Damen und Herren, ich bin schockiert, Pius Meier war mein persönlicher Freund und wie ich ein ausgezeichneter Schwimmer. Im Golfclub Dolder haben wir einmal im Monat zusammen diniert, meistens Schnecken, die kann ich übrigens sehr empfehlen. Pius Meier ist ertrunken, ich aber gehe von einem schweren Verbrechen aus. Doch keine Angst, wir sind dem Verbrecher bereits auf der Spur.“ Pilch verwies auf den nächsten Tag am gleichen Ort zur gleichen Zeit, wo er sehr wahrscheinlich bereits den Mörder präsentieren könne, beim Ausgang lägen Porträtkarten von ihm mit Unterschrift.

 

Am nächsten morgen um 10:30 sitzt Kottan im Utoquai am anderen Ufer des Zürichsees. Am Nebentisch sitzen zwei Herren vom anderen Ufer und lesen die Blickschlagzeile: „War es ein Racheakt für den unglücklichen Umbau der 'schönsten Badeanstalt'? Wilde Spekulationen um den Tod von P.Müller!“

 

Kottan schlendert die Seepromenade entlang zum Bauschänzli, wo er mit Kollege Schremser sein Mittagessen einzunehmen gedenkt. Die beiden sitzen am Seeausgang und dem Limmateingang vor je einem halben Liter Bier und einer Bratwurst mit Bürli.

Wir sollten den Ralf Hitzl unter die Lupe nehmen, der hat, oder besser hatte eine Stinkwut auf den Meier, weil er ihm die Pacht für diese Saison massiv erhöht hat.“

Sprich nicht mit vollem Mund, ich verstehe ja kein Wort“, meint Kottan, sein Bürli kauend und sich erkundigend: „Hitzl ist doch der neue Pächter seit letzter Saison, als der unbeliebte Umbau fertig wurde?“

Schremsers Antwort ging im einsetzenden 'Ich war noch niemals in New York' von Udo Jürgens, unter, gesungen von der extra aus zwei österreichischen Provinzen für das Bauschänzli zusammen gestellten Combo 'die Pitzgauer Spatzen'.

Kottan liess sein halb volles Bier stehen, ein einmaliger Fall, und eilte hinaus, Schremser folgte ihm nur mit Mühe an seinen beiden Krücken um die Tische und Stühle zirkelnd.

Kottan setzte sich auf die Flussmauer, Schweissperlen standen auf seiner Stirn: „Ehrlich, ich ertrage diese ehrlichen Texte dieses ehrlichen Sängers nicht mehr. Kein Wunder gibt es in der Limmat keine Fische mehr.“

Du siehst bleich aus Adolf, bekommt dir die Seeluft nicht?“ Der Schlag auf seine Schultern brachte Kottan beinahe auf Augenhöhe mit seinen Fischen. „Auch das noch, was machst du den hier, Schrammel?“

Während ihr euch bei Bier und Musik vergnügt, habe ich gearbeitet.“

 

Schrammel hatte tatsächlich einige Besucher vom Eröffnungstag befragt, auch Ralf Hitzl: „Der war auch da und hat dem 'Blick' ein Interview gegeben, nachdem er sein Personal hat antreten lassen. Er musste dann weg, um wie er sagte, in der Stadt 'zum Rechten' zu sehen. Hat also ein Alibi.“

 

Kottan schaute missmutig zu Schremser und umgekehrt, während sie langsam Richtung Mythenquai wanderten.

Schrammel: „Es war ein Unfall. Das passiert schon mal, selbst bei einem Schwimmer. Darum ist es ja eine solche Tragödie, weil ein Schwimmer ertrunken ist. Anders wäre es, wenn eine Nichtschwimmer ertrunken wäre.“

Kottan: „Spar dir deine Weisheiten, mein linkes Hühnerauge sagt mir, dass der Umbau etwas mit dem Tod von Meier zu tun hat.“

Am Seeufer fotografierten japanische Touristen eifrig Richtung Stadt und verhalfen Kottan zu einer Idee. Am Badeingang besprach Kottan diese mit Monic, der Vizechefin. Ob sie ihm helfen könne, er suche alle gestern, in der möglichen Zeit von Meiers Schwimmunfall gemachten Fotos der Gäste. Sie solle alle Stammgäste danach fragen, und sie die Aufnahmen unverzüglich abliefern lassen. Sie, die Polizei, würden die auswärtigen Personen der Eröffnung befragen.

 

Zufrieden über sich und ihr Tageswerk hockten die drei um 18:00 im 'Weissen Wind', jeder eine Stange vor sich und die Speisekarte studierend. 'Der hat gerade noch gefehlt', Kottan hielt sein Iphone einen halben Meter vom Ohr entfernt, aus dem ein laut schnaufender Pilch nach Luft für einen Zusammenschiss rang. „Ich...ich sitze hier mit 20 Journalisten...und habe keine Resultate...werde ein Berufsverbot für sie...hören sie...Präsident...den ganzen Tag kein Kaffee...nur Arbeit...und sie...“

Ich nehme 'Chalbsläberli mit Röschti'“, Kottan steckte sein Iphone ein und nahm einen grossen Schluck.

 

Folgetag, 10:00 im Mythenquai: Kottan , Schrammel und Schremser unauffällig im Liegestuhl am Rand der grossen Wiese, jeder 10 Fotoaufnahmen in der Hand.

11:30, alle drei knallrot, kurz vor einem Hitzschlag, Schremser stutzt, verfolgt einen Bodybuilder mit abrasiertem Schädel den Strandweg mit federndem Schritt entlang stolzieren, zwei Liegestühle samt Sonnenschirm tragend.

Abwechselnd studiert Schremser den Mann und ein Foto in seiner Hand, dann stösst er seinen Ellbogen Kottan in die Seite: „Siehst du den Macho da vorne, der seinen Liegeplatz wie seine private Villa einrichtet?“

Ich sehe gar nichts mehr, vor meinen Augen flimmert es nur noch. Ich glaube wir gehen besser zu Hitzl in den Schatten...Schrammel, hol drei Bier.“

Monic sitzt nun bei ihnen: „Klar kenne ich Harry, VBZ Chauffeur, städtischer Angestellter wie sie und Bodybuilder. Er verbringt mehr Zeit hier als irgendwer sonst, mich eingeschlossen. Er war übrigens Anführer der Widerstandsgruppe gegen den Umbau. Die haben dann immerhin ein Sonderbudget für ihre Sonderwünsche beim neuen Stadtrat Pipo Leuenberger erwirkt, gegen Widerstand vom zähneknirschenden Meier. Die Gruppe ist jetzt ein Verein zur Verschönerung des Mythenquai.“

 

Zwei Stunden später liegt Harry nicht mehr an der Sonne beim See, sondern sitzt in einem kühlen und dunklen Keller des Kripogebäudes an der Sihl, ein Scheinwerfen ist auf sein Gesicht gerichtet. „Sehen sie das projizierte Foto an der Wand, das sind sie, am Samstag um 11:40 bei der mittleren Insel. Um 11:45 wurde Meier leblos im Wasser gefunden. Was sagen sie dazu?“

 

Zwei Stunden später hört man Pilch jubelnd durch die Gänge des Kripogebäudes stolzieren. „Ich bin der grösste Kriminologe der heutigen Zeit. Meine Statistik ist lupenrein. Schon wieder ein Fall gelöst.“ Im nahegelegenen PKZ wird er sich gleich für die am Abend stattfindende Pressekonferenz neu einkleiden lassen.

 

Es wird sie nicht wundern, dass meine Eliteabteilung den Fall 'Meier' bereits gelöst hat,“ Pilch machte eine einminütige Pause, in der er sich aufplusterte wie ein Pfau, den Blick gegen den Himmel gerichtet, dann die Arme weit zur Seite gestreckt im Versuch, mit einer eleganten Geste, die Anwesenden zu bitten, Platz zu nehmen. Er fuhr fort: „Heute lasse ich einen der ansonsten im Dunkel der routinemässigen Ermittlungen vergessenen Beamten die Resultate darlegen. Kottan, bitte sehr.“ Pilch nahm auf seinem, im Gegensatz zu allen andern Stühlen als Thron wirkenden Sessel Platz und winkte Adolf ans Rednerpult.

 

Der in der Badeszene bestens bekannte Harry führte vorletztes Jahr die Widerstandsgruppe gegen den Umbau des Mythenquai. Details dazu kennen sie aus ihrer eigenen Presse. Als der Umbau selber nicht zu verhindern war, verlegte sich die Gruppe auf die Forderung nach Sonderwünschen. Nicht bei Meier selber, der sich stur stellte, sondern direkt beim Stadtrat Leuenberger. Der ist ja bekannt als Populist und gibt sich gerne volksnah...“

 

Kottan, denken sie an ihre Pension. Keine politischen Äusserungen, solange ich die Polizei leite.“ Alle wunderten sich, dass Pilch zuhörte und offenbar die Worte verstand, die da gesprochen wurden.

 

Nun, Leuenberger bewilligte alle Sonderwünsche ungeprüft und befahl Meier, diese sofort umzusetzen. Das ganze restliche Budget von 240'000.- Franken wurde verprasst. Zu Meiers Ärger befahl der Stadtrat auch, dass 30'000.- dem neuen Verschönerungsverein als Startkapital zu überweisen sind.“

 

Das wäre doch ein Motiv für Meier gewesen, Harry zu beseitigen,“ so der Zwischenruf eines verwirrten Reporters.

 

Meier fand dieses Jahr heraus, dass Harry das Geld unterschlagen hatte. So das wars. Die Kripo und im speziellen unser verehrter Präsident wünscht ihnen eine angenehme Badesaison.“

 

 

Schreibbüro Toni Saller: b-schreiben.ch, Ethnologe, Schreibarbeiter, Ideenbüro und frühpensionierter Informatiker, tonisaller@hotmail.com

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